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Bericht vom 6.12.2016:
Ethische Fragen in der Medizin
Elze - Wie wichtig ethische Themen in der Medizin und wie abhängig das ethische Empfinden von Zeit und Raum sind zeigte Medizinstudent Jan Christoph Mahlmann in seinem Vortrag „Ethik und Philosophie in der Medizin – Gedanken und Fragen hinter lebensverlängernden Maßnahmen“ auf, der nun im Musiksaal des CJD Elze stattgefunden hat. Mahlmann, selbst früher Schüler der Christophorusschule, hat im Jahr 2014 bei der Bundeswehr seinen Dienst angetreten und ist im Rahmen dessen Medizinstudent an der MHH Hannover. Er führte aus, dass ethische Fragen in der ersten Zeit im Studium wenig behandelt werden. „Ich finde aber, dass man links und rechts schauen muss, um sich ein Gesamtbild zu machen, und diese Fragen interessieren mich sehr“, erklärte der Doktorand. Ethik definierte er kurz als die Lehre von den Grundsätzen der Lebensführung, die mit Diskussionen über Moral und bestimmte Werten und Normen einhergehe. In der Medizin – wie wohl in den meisten anderen Bereichen auch – bedeuten die wesentlichen Bestandteile der Ethik oft eine Gratwanderung. „Zur Ethik gehören u.a. Wahrhaftigkeit, der Schutz des Menschenlebens, das Selbstbestimmungsrecht, die Menschenwürde, Gleichheit, Freiheit, Dialogbereitschaft, die Übernahme von Verantwortung und der Grundsatz ‚Gutes tun – nicht schaden‘. Schon beim ersten hier genannten Aspekt sind Ärzte oft in der Situation, dass sie sich fragen müssen: ‚Nützt es dem Patienten mehr, wenn ich alles offenlege, oder schade ich ihm damit eher?‘ Und dieser Balanceakt ist in allen Bereichen zu finden“, verdeutlichte er die diversen ethischen Dilemmata, mit denen Ärzte vielfach konfrontiert werden, „die sie aber auch oft umgehen, um ihre eigenen Zielvorstellungen durchzusetzen“, merkte der Referent an. Dass Ethik von Zeit und Raum abhängig ist, zeigte er an einigen Beispielen. Ob es nun die Verfolgung Homosexueller oder Albinos in anderen Ländern ist oder die Praxis der medizinischen Versuche an Menschen während der Nazi-Zeit, die Einstellung zu dieser Art Fragen ist sehr unterschiedlich und abhängig von vielen unterschiedlichen Faktoren. „Auch wenn ich keinesfalls irgendetwas davon gutheißen möchte, appelliere ich doch an Sie, bei ethischen Konflikten auch einmal die andere Seite anzusehen und zumindest die von ihrer Meinung abweichende Sichtweise zu überdenken“, forderte er seine Zuhörer auf. Ein weiterer Schwerpunkt seines Vortrags war die Frage nach den lebensverlängernden Maßnahmen, ein Thema, das in der heutigen Zeit viele beschäftigt, so auch einige Gäste des Vortrags. Mit einem Fallbeispiel zeigte Mahlmann auf, wie wichtig eine gute Vorbereitung auf die Eventualitäten ist. Ein junger Mann wollte sich das Leben nehmen, wurde vom Notarzt reanimiert, hatte aber vor Zeugen deutlich ausgesagt, dass er in einem solchen Falle keine Wiederbelebung wünschte. Sein Hirn hatte Schaden genommen, er lag im Koma, und weder sein Vater noch der behandelnde Arzt konnten beim Pflegeheim erwirken, sein Leben enden zu lassen, da er bereits an die künstliche Ernährung angeschlossen war und dies wie eine Tötung gesehen worden wäre. Der junge Mann starb nach sieben Jahren an einer Lungenentzündung, und vier weitere Jahre später entschied ein Gericht, dass die lebensverlängernden Maßnahmen ungerechtfertigt waren. „Sein Selbstbestimmungsrecht in diesem Fall noch ausüben zu können ist schwierig, und es ist offensichtlich, dass gerade die Zeit vor dem Tod eigentlich eine Zeit ist, in der es zwischen Arzt oder Pflegepersonal und Patient intensive Gespräche geben müsste. Dies ist aber oft nicht der Fall und ja auch nicht immer mehr möglich.“ Deshalb sei eine Patientenverfügung so wichtig, allerdings räumte er ein, dass diese ja auch im Notfall vorliegen müsste „und auch das ist gar nicht so einfach.“ Kaum ein Pflegeheim oder Krankenhaus würde explizit danach suchen oder fragen. „Hier spielt auch oft das Geld eine Rolle“, gab er zu bedenken. „Häufig sind neben den medizinischen Fragen gerade bei Krankenhäusern und Krankenkassen eben vor allem wirtschaftliche Aspekte die ausschlaggebenden.“ Weitere meist kontrovers diskutierte Beispiele aus den Bereichen Frühgeburt, Einteilung von Verletzten eines Katastrophenfalls nach dem Grad der Verletzung, Versorgung der Flüchtlinge oder Brustkrebsvorsorge sowie Informationen über die mögliche Einführung einen neuen Ärzte-Eides „da der Hippokratische Eid nicht mehr geschworen werden muss“ ergaben einen spannenden und interessanten Vortrag, bei dem sich einige Zuhörer auch persönlich angesprochen fühlten. Jan Christoph Mahlmann riet am Ende noch einmal allen, immer im Hinterkopf zu behalten, dass es den einen richtigen Weg in ethischen Fragen nicht gebe, die individuellen Werte und die Wertvorstellungen anderer Menschen stimmten nun einmal leider nicht immer überein. Damit beendete der beeindruckende junge Mann seinen Vortrag und erhielt viel Applaus. Text und Foto: Marita Bünger

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